Ein Himmel voller Geigen

31.07.2008

Wie man wertvolle Instrumente richtig mikrofoniert – weiß man bei MisterMaster.

Wenn es bei der Mikrofonierung klassischer Musik nicht nur auf die Qualität des Ergebnisses ankommt, sondern auch darauf, dass die beteiligten Musikern ohne Scheu ihr wertvolles Instrument dafür hergeben, dann ist das Team um Martin Mayer von MisterMaster aus Österreich gefragt.

In diesem Beitrag erklärt der OPUS-Bühnenpreisträger Martin Mayer, was er wie macht und warum er damit zugleich zum bestsortierten Schoeps-Verleih in Europa avancierte.

 

Die Herausforderung

Die Abnahme und Verstärkung von Streichinstrumenten für Recording, Live- und TV-Shows stellt immer eine große Herausforderung dar, insbesondere bei Crossover-Projekten. Hier reicht die durch pultweise Mikrofonierung erzielbare akustische Trennung zwischen den vergleichsweise „pegelschwachen“ Streichern und Elementen einer Pop/ Rock-Band wie Schlagzeug und E-Gitarren bei weitem nicht aus, um die gewünschte Balance zu erzielen. Ein Mikrofon in einem solchen Abstand nimmt unweigerlich mehr vom restlichen Bühnengeschehen war, als von den beiden Violinen, auf die es eigentlich ausgerichtet ist.

Eine befriedigende Lösung lässt sich nur erzielen, wenn man mit dem Schallwandler möglichst dicht an das Instrument herangeht. Dies ist jedoch traditionsgemäß insbesondere bei Musikern aus der Klassik nicht sehr beliebt, bestehen doch – teils berechtigt – große Vorurteile betreffs klanglicher Einbußen und etwaiger Beschädigung teilweise historischer Instrumente.

Dies war der Ausgangspunkt in den späten 90er-Jahren, als wir bei MisterMaster begannen, uns intensiv mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

 
Folgende Punkte erschienen uns essentiell und wurden gewissermaßen in unser „Pflichtenheft“ aufgenommen:
·    von jedem Musiker selbst rasch und einfach zu befestigen
·    keine Beschädigung und Eingriffe an wertvollen Instrumenten, kurzfristig einsetzbar
·    keinerlei Dämpfung oder klangliche Beeinflussung der Instrumente
·    keine Behinderung üblicher Spieltechniken
·    warmes, natürliches und ausgewogenes Klangbild

Der Stand der Dinge

Der Blick auf bestehende Lösungen brachte fürs erste Ernüchterung: Alle am Markt befindlichen Varianten stellten in der einen oder anderen Art und Weise Kompromisse dar, die weder wir noch unser Klientel hinzunehmen bereit gewesen wären.

Auf der einen Seite gibt es die verschiedensten Varianten von Piezo-Pickups und anderen Körperschallwandlern, die im Wesentlichen folgende Vor- und Nachteile bieten:
·    sehr geringe Rückkopplungsempfindlichkeit
·    je nach Befestigung entweder Brücke: tendenziell dünner, „sägender“ Klang ohne Volumen und Körper – oder Korpus: tendenziell dumpfer Klang ohne Bogen- und Saitengeräusche
·    Montage entweder durch Knetmasse (Kleberückstände!) oder durch Anbringung unter oder zwischen den Aussparungen der Brückenkonstruktion (starke Bedämpfung an dieser besonders filigranen Stelle – die Übertragung der Schwingungen von den Saiten auf den Korpus durch die Brücke wird stark beeinflusst).
·    meist Pre-Amp erforderlich

Auf der anderen Seite stehen verschiedene Varianten kleiner (meist Lavalier-) Mikrofone, die am Instrument zu befestigen sind und die im Wesentlichen folgende Vor- und Nachteile bieten:
·    ob geringer Masse leicht zu befestigen
·    Tendenziell leicht spitzer Klang durch die übliche Präsenzanhebung bei Lavalier-Mikrofonen
·    Montage durch relativ labile Konstruktionen aus Metall oder Gummi, die meist zusätzlich mit Klebe- oder Klettband gesichert werden müssen.
·    Teilweise langwierige Montage, sodass die Musiker meist mit montiertem Mikrofon auftreten und die XLR-Steckverbindung selbst herstellen müssen
·    Auch Montage innerhalb des Korpus möglich (erfordert die Hilfe eines Geigenbauers). Starke Entzerrung der Resonanzen erforderlich.

Ausgangspunkt aller Überlegungen waren in erster Linie die Vorbehalte der Musiker, die als erstes mit einer bestechenden Lösung aus dem Weg geräumt werden mussten. Denn was hilft auch das beste System, wenn niemand bereit ist, es anzuwenden?!

Die Lösung

So haben wir begonnen, in langwierigen Gesprächen und Versuchsanordnungen mit Musikern zuerst nach der besten Montage-Variante zu suchen. Diese soll einerseits den Klang des Instrumentes selbst geringstmöglich beeinflussen, eine Mikrofonposition für ein ausgewogenes Klangbild ermöglichen und den Musiker nicht in seiner gewohnten Spielweise beeinträchtigen.

Als möglichst schwingungstoter Punkt bieten sich die Stellen an, an denen Decke oder Boden des Korpus mit den Zargen aneinander treffen. Diese Tatsache macht man sich bereits seit Jahrhunderten zur Montage des Kinnhalters zunutze. Eine Klemmvorrichtung, die das Instrument von oben und unten umfasst, erfordert nur geringen Druck am Instrument selbst, um einen guten Sitz zu gewährleisten. Eine Position unmittelbar vor der linken Wange verursacht die geringste Störung des Musikers und ergibt auch eine sinnvolle Mikrofonposition.

Soweit zum theoretischen Ansatz, den wir wie gesagt empirisch gemeinsam mit Musikern entwickeln konnten. Einen ersten Prototyp dieser Mechanik fertigte der örtliche Feinmechaniker, weitere Tests und Verbesserungen folgten. Zu diesem Zeitpunkt war noch an die Verwendung üblicher Lavaliermikrofone an einem kurzen Galgen gedacht.

Durch Zufall sind wir dann im Zuge unserer eigenen Forschung auf Prototypen der Firma Schoeps gestoßen, die bereits in den 70er-Jahren eine Halterung nach dem Kinnhalterprinzip für ihre Colette-Serie realisierten. Die Möglichkeit, nun tatsächlich ein hochwertiges, gerichtetes Schoeps-Kondensatormikrofon an jedem Streichinstrument befestigen zu können, schien qualitativ natürlich sehr verlockend, ist jedoch finanziell mit einem sehr hohen Aufwand verbunden.

Ausführliche Gespräche mit den Herren bei Schoeps ließen uns schließlich doch Mut fassen. Wir haben dann gemeinsam mit dem Hersteller die Instrumentenadapter so weit verfeinert, dass auch die letzten Vorbehalte ausgeräumt werden konnten. Die Lederauflagen wurden noch vergrößert, Schrumpfschläuche über den Gewindestangen verhindern nun jeglichen Kontakt von Metall mit dem Instrument.

Die Schoeps Instrumentenadapter VA-1 (Violine), VA-2 (Viola), VA-3 (Cello) und VA-4 (Kontrabass) sind nun bereits seit einigen Jahren als Schoeps-Zubehör verfügbar und erlauben die Verwendung von mittels aktivem Kabel KC vom Mikrofonverstärker abgesetzten MK4 Kapseln oder dem entsprechenden Kompaktmikrofon CCM4 an jedem Streichinstrument.

Die Verwendung einer gerichteten Mikrofonkapsel bietet durch den Nahbesprechungseffekt eine Betonung tieferer Frequenzen, die durchaus als angenehme Wärme empfunden wird. Bei größeren Ensembles bringt eine Kompensation mittels eines LoShelf-Filters eine weitere Erhöhung der Rückkopplungssicherheit. Auf Grund des besonders linearen Frequenzganges ist außer einem LoCut keine weitere Filterung erforderlich. Dies macht den Umgang insbesondere mit größeren Ensembles sehr einfach und die Ergebnisse sprechen für sich.

Natürlich war anfangs einiges an Erziehungs- und Überzeugungsarbeit erforderlich, um auch den Musikern die Verwendung des Systems schmackhaft zu machen und die Akzeptanz zu erhöhen. Als sehr wichtig hat sich erwiesen, die Musiker bereits vorab – etwa im Rahmen einer Probe – mit den Instrumentenadaptern zu konfrontieren, um Überraschungen für alle Beteiligten zu vermeiden. Sehen die Künstler aber erst, dass ihren Vorbehalten – besonders hinsichtlich der Schonung der Instrumente – umsichtig Rechnung getragen wurde, ist die Montage selbst kein Problem mehr und kann von jedem Musiker nach kurzer Übung selbst vorgenommen werden.

Als dann noch Stargeiger Julian Rachlin die Violine "ex Carrodus" Guarnerius del Gesù aus dem Jahre 1741 beim Lifeball Mitte Mai 2004 vor dem Wiener Rathaus mit "Pick-Up" von Schoeps spielte, war der Bann endgültig gebrochen – ein Beispiel das Schule macht.

Seither haben wir in den verschiedensten Produktionen Solisten und ganze Symphonieorchester mit unseren Schoeps Streicher „Pick-Up“-Systemen ausgestattet – Orchester der Vereinigten Bühnen Wien, Bruckner Orchester Linz, Wiener Symphoniker und viele mehr.

Die Vorteile und Stärken dieses exklusiven Systems machen Mister Master nicht nur zum Spezialisten für Klassik- und Crossover-Projekte, sondern auch zum best sortierten Schoeps-Verleih in Europa.