25 Jahre Flightcases von ProCase

03.09.2012

Bei ProCase werden jährlich mehr als 10.000 Flightcases gebaut - viele von ihnen nach Maß. Eine Reportage über die Feinheiten des Case-Baus in Miltenberg.

Birkensperrholz. Gleich palettenweise wird es angeliefert bei ProCase, und scheinbar sind alle Platten gleich dick, wie sie da aufeinander liegen. Trotzdem werden sie gleich hinter dem Miltenberger Firmentor erst mal durch eine Maschine geschoben, die sie auf eine genaue Stärke zurecht schleift.

Solche Genauigkeit für ein Flightcase, ist das nicht übertrieben? "Sonst passen sie nicht richtig zwischen die Aluprofile", sagt Firmengründer Thomas Schweighart. Und der Mann wäre nach gut 25 Jahren Erfahrung im Case-Bau pragmatisch genug, sich diesen Schritt zu sparen, wenn er nicht nötig wäre.

Nötig für das Ergebnis, das er sich zum Ziel gesetzt hat: "Wir wollen nicht die billigsten Hersteller sein, aber wir wollen mit zu den besten gehören!"

Zwei Männer schieben die geschliffene Platte durch ein Walzensystem, das aussieht wie eine zu groß geratene Tapeten-Kleistermaschine für den Profi. Und wirklich wird hier die Sperrholzplatte gleichmäßig mit Leim bestrichen und anschließend mit einer Spezialfolie beklebt.

Die Oberfläche kennen wir alle, ob in Schwarz, Grau, Blau oder wie auch immer. Und die beiden Männer legen die Platte auf den nächsten Stapel, wo sie erst mal 24 Stunden trocknen muss.

Schon schieben sie die nächste Platte durch die Walzen, leimen hie und da mit dem Pinsel noch etwas nach und arbeiten mit der Ruhe und Präzision von Profis, die ihre Aufgabe gefunden haben. Fünf Tage die Woche machen die beiden das, Monat für Monat und Jahr für Jahr, da kann man sehen, wie Kaschieren geht, ein Reiben ist's, ein Hinschmiegen, mal mit dem Daumen, mal mit dem Handballen, ein Strich mit dem kleinen Finger, so geht das.

Der durchgetrocknete Stapel an kaschierten Sperrholzplatten wird gleich weiter verarbeitet, denn wenn etwas bei ProCase rar ist, dann ist es der Platz, also muss alles zügig durch die Halle bewegt werden.

Jetzt ist der Schreiner dran mit seiner riesigen CNC-Fräse, welche die Platten nicht nur in die richtigen Größen schneidet, sondern gleich noch Bohrungen in allen Größen fräst und überhaupt alle Ecken und Kanten, bis jedes Teil seine endgültigen Proportionen hat.

Und da wird auch schon eine Kiste daraus, die mit einem speziellen Tacker zusammen geklammert wird. Das klingt so einfach wie ein Fingerstreich, aber man sieht es eigentlich schon auf den ersten Blick, dass da etwas anderes passiert als beim Zusammenklammern von ein paar Papierblättern mit dem Leitz-Hefter.

Nun schnappt sich ein Alu-Spezialist die Kiste, setzt das passende Profil an, bohrt akkurat die passenden Löcher für die Nieten, nietet die Profile fest, bringt die Ecken an, Seite für Seite. Was auch heißt, dass hier eben nicht mal schnell ein Flightcase entsteht, sondern viele kräftige und kundige Hände ziemlich viel hinlangen müssen.

Die Spezialisten "zieht" man sich praktisch selbst im eigenen Haus. So sind derzeit acht Auszubildende bei ProCase - und wer seine Sache versteht, wird in der Regel auch übernommen.

Zur "fertigen" Kiste fehlen noch die Beschläge, Scharniere, Griffe, Schlösser, und auch für diesen Arbeitsgang gibt’s bei ProCase Spezialisten, bei denen jeder Handgriff sitzt. Eine Freude zum Zuschauen!

Doch jetzt geht bei den meisten Flightcases die eigentliche Arbeit erst los. Thomas Schweighart sagt: "Viereckige Kisten bauen sich viele selbst, aber die eigentliche Kunst ist das Innenleben..

Ob Laser oder Lautsprecher, Mischpult oder Moving Light – kein Gerät kann man einfach so in eine Kiste werfen, um es beim Transport zu schützen. Dazu braucht man schon ein ausgeklügeltes System von speziellen Hartschaum-Materialien, die gerade richtig viel nachgeben und richtig viel entgegen setzen, welchem Druck welches Gewicht bei welcher Gelegenheit auch ausgesetzt ist.

Entsprechende Baupläne und Zeichnungen liefert die Denkwerkstatt. Die ProCase-Konstrukteure tüfteln und testen – ob, was und wie – zusammengesteckt, getackert, verschraubt, rund oder eckig ausgeführt wird. Egal wie, das Case hält und erhält dann auch wirklich das kostbare Gerät.

Weil Touring, Rock'n'Roll und Messebau nicht alles ist, baut man in Miltenberg auch viele Cases für die Industrie, und dort nimmt man es oft noch viel genauer. So packt man bei ProCase denn auch häufig Geräte im Case auf einen speziellen Rüttler und schüttelt sie in einem Transporttest nach einem festgelegten Verfahren richtig durch.

Nach dieser Tortur wird dann das Gerät selbst bis in alle Details durchgemessen, und wenn alles in Ordnung ist, erhält das Case eine entsprechende Zertifizierung.

Einen Transporttest brauchte es nicht bei einem der eben ausgelieferten Spezial-Cases, in dem vier Formel-1-Pokale Platz finden, aber auch ihr Innenleben ist so ausgefuchst, dass die guten Stücke im Flugzeug ebenso gut geschützt sind wie im LKW auf dem Weg zur nächsten Rennstrecke.

Rund 10.000 Cases verlassen pro Jahr das Firmengelände von ProCase, hergestellt von einem Team von insgesamt etwa 50 Mitarbeitern in mehreren Werken. Und eben wegen ihres speziellen Innenlebens gleicht kaum ein Case dem anderen, auch wenn manche äußerlich gleich aussehen.

Genau darum beraten eine ganze Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Kunden am Telefon und auch per Mail. Zusammen sucht man die beste und dabei auch kostengünstigste Lösung für jedes Transportproblem, wie kostbar das zu transportierende Gut auch sein mag. Und bei komplizierteren Projekten fahren die Mitarbeiter auch schon mal raus und besuchen den Kunden vor Ort.

Als Thomas Schweighart vor gut 25 Jahren die ersten Cases für das eigene Equipment seiner mobilen Disco "Skyline" baute, konnte er sich nicht vorstellen, dass daraus mal einer der größten und angesehensten Case-Hersteller Deutschlands werden würde, doch schon damals wollte er sich genau mit diesem Thema selbstständig machen, und diesem Weg ist er auch weiter gefolgt, auch wenn er, wie er heute selbst sagt, „anfangs viel Lehrgeld bezahlen musste“.

Inzwischen hat ProCase eine ISO-Qualitätszertifizierung, die fast genau so ausgeklügelt ist wie die Inneneinteilung eines Cases: In einem firmeninternen Wiki haben die zuständigen Mitarbeiter ihre Prozesse normgerecht und allgemeinverständlich festgehalten. So hält man an jedem Arbeitsplatz die Qualität, auch wenn einmal ein Mitarbeiter ausfällt.

Für viele Kunden aus der Industrie ist eine solche Zertifizierung eine feste Voraussetzung für die Zusammenarbeit,
schließlich soll das Case im nächsten Jahr qualitativ genau dem von heute entsprechen, auch wenn der tüchtige Meister vielleicht inzwischen in Pension gegangen ist.

Doch bei ProCase geht das Netzwerk noch viel weiter. So bringt die firmeneigene Datenverarbeitung alle Abläufe unter ein Dach, vom Einkauf bis zur Rechnungsstellung, von der Arbeitsvorbereitung und Produktionsplanung über den Fertigungsablauf bis zur Nachkalkulation und Gewinn- und Verlustrechnung – und das bei jedem einzelnen Case.

Stimmt da etwas nicht, kann man sofort nachbessern. Und da wundert es nicht, dass man sich bei ProCase schon mal vorsorglich die umliegenden Grundstücke gesichert hat. Denn auf den derzeitigen 2.000 Quadratmetern geht es ganz schön eng zu.