AVB-System Biamp Tesira

22.11.2011

Mit dem AVB-Netzwerkprotokoll (Audio/Video Bridging) taugen Standard-EDV-Netze jetzt auch für Bild- und Tonsignale in Echtzeit. Umsetzung in Biamp Tesira.

Das neue Netzwerkprotokoll Audio/Video Bridging (AVB) hat das Zeug zum universellen Problemlöser. Unterhaltungselektronik, Automobilindustrie und IT profitieren von besserer und günstigerer Technik. Sein kommerzielles Debüt feiert AVB im Mediensystem „Tesira“ des amerikanischen Herstellers Biamp Systems.

Die Übertragung von Mediensignalen ist ja durchaus anspruchsvoll: Ein einfaches FullHD-Video wie etwa ein Film von einer BluRay-Disc verlangt Datenraten von bis zu 8 Gigabit pro Sekunde (Gbps). Das reizt die schnellsten derzeit verfügbaren Netzwerkschnittstellen für Einzelplatzrechner mit brutto 10 Gbps bereits aus. Schneller geht’s in Glasfasernetzen: Die Lichtleiter transportieren teilweise schon über 40 Gigabit/Sekunde. Die Bandbreiten zur flinken Übermittlung von Bild- und Tonsignalen stehen heute also zur Verfügung.

Schwieriger wird es bei der zweiten Herausforderung, der Echtzeitfähigkeit.
Die Daten von aktiven Assistenzsystemen - etwa von der Frontkamera eines Fahrzeugs - müssen sofort und nicht irgendwann zum ABS gereicht werden, um einen Frontalaufprall zu vermeiden. Und nicht nur das Heimkinosystem, auch die Videokonferenz will Bild und Ton ohne spürbaren Verzug. Zudem sollen Video und Audio nicht nur schnell, sondern auch synchron sein. Computernetzwerke, insbesondere das darin gängige Protokoll TCP/IP, wurden für sicheren, nicht aber zeitverbindlichen Datentransfer entwickelt. Einfach gesprochen: Wann genau eine E-Mail ankommt, interessiert Sender und Empfänger nicht, welche Wege sie im Datennetz nimmt, auch nicht. Hauptsache, sie erreicht die Adressaten.

Was in der IT-Welt meist kein Thema ist, stellt Autobauer und die Unterhaltungselektronik vor große Herausforderungen. Diese würden gerne ebenfalls die robuste und preiswerte IT-Netzwerktechnik nutzen, haben mit deren Saumseligkeit aber ein Problem.

Für die Konferenz- und Beschallungstechnik etwa kommen bisher ausschließlich proprietäre Entwicklungen einzelner Hersteller zum Einsatz, die sich oft nur bedingt mit den restlichen Teilnehmern im Netzwerk vertragen. Beispiele hierfür sind CobraNet oder das Ethersound-Protokoll. Sie erreichen die Echtzeitfähigkeit dadurch, dass sie die ursprünglich nicht für Daten gedachte tiefere OSI-Schicht 2 zur Übertragung der Ton-Daten innerhalb eines modifizierten Protokolls nutzen.

Deshalb wird ein darauf basierendes Mediennetzwerk separat von den übrigen IT-Teilnehmern behandelt. In der Praxis heißt das: die kostspielige Installation eines zweiten Netzwerks oder die strikte Trennung von Medien- und Computerdaten durch VLANs. Eine Integration in das bereits vorhandene IT-Netzwerk wird zumeist vermieden, da diese verständlicherweise extreme Sicherheitsbedenken bei den zuständigen Systemadministratoren hervorruft.

Herr über die Netzwerktechnik ist das IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers – Verband der Elektroingenieure). 2009 machte es Nägel mit Köpfen und schuf das Netzwerkprotokoll AVB (Audio/Video Bridging). Der neu geschaffene Standard IEEE 802.1 AV ermöglicht die synchrone Beförderung von Bild und Ton mit einer minimalen, definierten Latenz (Verzögerung) sowie den gemeinsamen störungsfreien Transport mit anderen Layer 3-Protokollen in einem Netzwerk.

Dank AVB sind physikalische Trennungen der Netze ab sofort nicht mehr nötig. Dadurch, dass es sich bei AVB um einen einheitlichen IEEE-Standard handelt, kann das Management des Netzes nun in die Netzwerkkomponenten selbst (zum Beispiel Switches) verschoben werden. Eine manuelle Konfiguration ist möglich, aber nicht zwingend erforderlich. Ähnlich wie bei der Verwendung von VoIP-Telefonie übernimmt AVB die Priorisierung der Daten, die Reservierung benötigter Bandbreiten sowie die Sicherstellung der geringstmöglichen Latenz.

AVB ist offen und herstellerübergreifend; die AVB-Pioniere, darunter Cisco Systems und Intel, gründeten die AVnu Alliance, um den Standard voranzubringen und das reibungslose Zusammenspiel der Technik mit allen Endpunkten im Netzwerk zu gewährleisten.

Erster Einsatz von AVB: Medien- und Konferenztechnik

Bei Neubauten fordern die Bauherren meist von vornherein flexibel nutzbare Räume. Bestehende Gebäude werden oft erweitert oder umgebaut – die Infrastruktur soll mitwachsen. Eine Herausforderung, die sich mit althergebrachter Tontechnik, die zumeist von analogen Mikrofonkabeln und Lautsprecherleitungen dominiert wird, nur schwer meistern lässt.

Der US-Hersteller Biamp Systems erkannte das Potential von AVB für die Konferenztechnik und wird im Frühjahr 2012 mit dem skalierbaren Mediensystem „Tesira“ eines der ersten auf AVB basierenden Geräte überhaupt vorstellen. Mikrofone, Lautsprecher und Mischer definieren sich dann nur noch als Endpunkte im Netzwerk, die flexibel und nach Bedarf eingebunden werden können. Überall, wo eine Netzwerkdose sitzt, entsteht mit den Tesira-Komponenten in Minutenschnelle ein Konferenzplatz. Genauso schnell lässt er sich wieder abbauen.

Auch innerhalb der Tesira-Infrastruktur ist schnelles Agieren kein Hexenwerk: Im fliegenden Wechsel kann etwa ein Hochschullehrer vom selben Mikrofon aus seinen Vortrag auf die Lautsprecher im Hörsaal geben, die nächste Vorlesung ins Internet übertragen oder in einer Pause mit dem Dekan der Universität ein persönliches Gespräch führen. AVB garantiert den Transport aller Tonsignale unkomprimiert und in Echtzeit.

Bereits bestehende analoge Technik lässt sich durch externe AD/DA-Module, welche automatisch erkannt und eingebunden werden, in das System integrieren. Die Module kommen ohne zusätzliche Stromanschlüsse aus – Energie beziehen sie aus dem IT-Netzwerk dank „Power over Ethernet“ (PoE+). Konzernzentralen, Krankenhäuser, Universitäten, Bus- und Bahnhaltestellen, Parlamente oder Gerichte – überall, wo gesprochene Informationen gezielt verteilt werden oder Menschen direkt miteinander kommunizieren sollen, lässt sich dies mit Tesira zuverlässiger, kostengünstiger und flexibler als je zuvor umsetzen.

Als Herzstück des Systems stehen flexibel ausbaubare Tesira-Server bereit, die die Verwaltung und Bearbeitung aller angeschlossenen Audiosignale übernehmen. Ein Server kann hier bis zu 840 Tonsignale in das Netzwerk ein- und ausspeisen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, weitere analoge Signale anzubinden sowie eine Schnittstelle für VoIP- (SIP) oder analoge Telefonie zu schaffen. So kann jede angeschlossene Komponente als Teilnehmer in einer Telefonkonferenz agieren.

Bequeme Administration per Software

Zur flexiblen Hardware gehört eine benutzerfreundliche Bedienoberfläche. Alle wichtigen Parameter findet der Anwender unter einem Dach, er muss nicht, wie oft bei anderen Systemen, zwischen verschiedenen Steuerprogrammen oder -teilen wechseln. Das bringt mehr Übersicht.

Die Biamp-Systems-Entwickler machten sich aber nicht nur über die einheitliche Oberfläche Gedanken, sondern auch über die Technik unter der Haube. Die Medientechnik eines Gebäudes verwaltet die Tesira-Software auf Wunsch in frei bestimmbaren „Partitionen“, also vom Nutzer definierbaren Funktionsgruppen. Diese lassen sich spiegeln, um an anderen Orten identischen Zugriff auf die jeweils verfügbaren Geräte zu haben.

Der Clou der Tesira-Software ist der „Compiler“ genannte Programmteil: Hat der Programmierer die Anforderungen des Kunden an seine Kommunikationstechnik in die Software eingegeben, errechnet der Compiler in mehreren Durchläufen, wie sich diese innerhalb des Tesira-Systems mit minimalen Ressourcen realisieren lassen. Der Kunde spart dadurch bares Geld.

Die Systembausteine sind ab Mai 2012 verfügbar. Die Produkte von Biamp Systems werden in Deutschland exklusiv von beyerdynamic, Heilbronn, vertrieben. Eine vollständige Übersicht der Tesira-Familie finden Sie unter

www.beyerdynamic.de/tesira

www.biamp.com

www.avnu.org