Schnelle Satellitenübertragung, Bilder in 2 K, mit 2.048 mal 1.068 besser als HD, der Ton in 5.1 über hochwertige Systeme – solche Phänomenen beschreiben treffend unsere Zeit, doch entscheidend ist, was man daraus macht: zum Beispiel die Live-Übertragung einer Opern-Aufführung der New Yorker MET in deutschen Kinos. Da werden gar eingefleischte Bayreuth-Besucher schwach!
Die Metropolitan Opera in New York, weit besser bekannt als MET, hat eben eine Welle ausgelöst, die noch ganz am Anfang ist: Die Live-Satellitenübertragung von Opernaufführungen aus New York in bestmöglicher Qualität. Selbst die Zeitverschiebung hat man dabei im Griff: Dort gibt’s eine Matinee, wir starten im Abendprogramm. Bei der letzten Aufführung waren die mit digitalen Projektoren ausgestatteten Kinos in Stuttgart, Köln, Karlsruhe, München, Ulm, Weimar, Dresden und Nürnberg zeitgleich dabei.
Das Nürnberger IMAX im Cinecitta-Kinokomplex mit seinen insgesamt 21 Kinos wird von Wolfram Weber betrieben, einem Cineasten voller Begeisterung, der einst mit dem kleinen Nürnberger Programmkino „Meisengeige“ begann und heute immer neue Häuser aufbaut, die nächsten in Würzburg und Frankfurt. Elf der Nürnberger Cinecitta-Kinos sind bereits mit digitalen Projektoren ausgestattet, das IMAX ist das größte.
Hier also zeigte Weber am 28. April 2007 Puccinis „Il Trittico“, eine von Puccini selbst erdachte „wilde Mischung“ dreier grundverschiedener Kurzopern, welche auch gern einzeln aufgeführt werden: „Il Tabarro“, „Suor Angelica“ und „Gianni Schicchi“, die wohl bekannteste der drei.
Technisch ist das Ganze für einen gestandenen Kino-Techniker kein Problem, zumindest seit der letzten Fußball-WM, wo so manches Spiel nach dem selben Verfahren live im Kino zu sehen war: Das digitale Signal wird von einem Rubex-Decoder dechiffriert und aufgesplittet: Das Video-Signal geht an den fest installierten Christie CP2000, einen 2K-DLP-Cinema-Projektor mit einer 6 KW-Lampe, der das brillante Bild auf die 30 Meter breite Leinwand projiziert. Dazu Kinochef Weber mit berechtigtem Stolz: „Dabei handelt es sich um die derzeit größte deutsche Kinoleinwand mit über 600 Quadratmetern.“
Das Audio-Signal geht vom Decoder an die Imax-Anlage von Sonix, die man vom unteren Foyer aus durch eine Glasscheibe auch als Besucher sehen kann. Die ganze rechte Seite des Raums nehmen dabei die Endstufen ein, die eine Leistung von insgesamt 24.000 Watt liefern. Heraus kommt aber kein ohrenbetäubender Lärm, wie man ihn sonst oft zu hören bekommt, vielmehr verwandelt sich das Kino akustisch in ein Opernhaus: Es klingt richtig live!
Und die Bilder stehen dem in nichts nach: Die Präzision und verblüffende Schärfe der 2K-Projektion sorgt dafür, dass die deutschen Kinobesucher mehr sehen als die MET-Besucher vor Ort mit ihren Operngläsern. Wobei das Verständnis des Textes dazu kommt, denn anders als in der Oper, wird der gesungene Text einfach unten eingeblendet – in der deutschen Übersetzung! Und wer mitliest, hat mehr vom Abend.
So kommt im Nürnberger Kino ein klassischer Opernbesuch in der MET heraus, keine virtuelle Farce, denn man ist ja tatsächlich live zugeschaltet. Und wie großartig sich das anfühlt, zeigt – mehr als jede blumige Beschreibung – der tosende Schlussapplaus des Kinopublikums. Fehlt nur noch die bidirektionale Übertragung, damit die Künstler vor dem Vorhang auch hören können, was ihnen da an tosendem Beifall aus dem Kinosaal entgegenschlägt.
Da staunt selbst der erfahrene Kino-Mann Weber: „Wir haben ein ganz anderes Publikum erreicht. Da zahlen die Gäste ohne Murren gute 18 Euro und schicken uns dann auch noch Dankschreiben reihenweise. Das sind Leute, die normalerweise für Opernkarten ein paar 100 Euro ausgeben und durchaus das Gefühl hatten, auch bei uns in einer Live-Aufführung gewesen zu sein.“
Genau dieser Gedanke, ein ganz anderes Publikum ins Kino zu locken, war auch der Ausgangspunkt für den Filmverleiher im Hintergrund, den Concorde Filmverleih mit seiner Tochterfirma Clasart. Friedel Kunow, Mitinitiator der Met-Übertragungen bei Concorde, erklärt: „Wir sind immer bemüht, den Kinos anderen Content zu liefern, weil das letztlich generell die Attraktivität der Kinos erhöht und das Kino für andere Zielgruppen interessant macht. Ein Kino allein für die Kids lohnt sich heute nicht mehr.“
Natürlich zählt am Schluss die Einschaltquote, hier also die Auslastung. Und die Kinos waren bei den beiden bisherigen MET-Aufführungen, dem „Barbier von Sevilla“ und nun bei „Il Trittico“, mehr als gut besucht. Mancher Betreiber ließ einfach die erste Reihe leer angesichts des Kartenpreises, aber trotzdem erreichte man eine Auslastung von 90 Prozent.
Filmverleiher Kunow sähe es natürlich am liebsten, wenn möglichst zügig die weiteren rund 4.600 Kinosäle in Deutschland mit digitalen Projektoren ausgestattet würden, doch er weiß am besten, dass da oft das Kapital fehlt. Wobei neben der Qualität des Bilds auch etliche praktische Gründe für eine Umstellung sprechen würden, wie Kunow erklärt: „Der Versand einer kleinen Festplatte ist natürlich wesentlich einfacher zu bewerkstelligen als der Transport der ganzen Filmrollen, die man dann noch im Kino mit dem Handwagen herumfahren muss.“ Dazu kommt, dass sich mehrere Geräte von einem Server aus bedienen lassen und der Projektorwechsel entfällt für Werbung und Hauptfilm.
Der größte Vorteil für einen Kinobetreiber aber, so Kunow, „besteht darin, nicht hinter der technischen Entwicklung zurück zu bleiben. Denn irgendwann wird es manches Material einfach gar nicht mehr anders geben.“
Kunow sieht denn auch rosige Zeiten für Livemusik-Fans kommen: „Warum sollten wir nicht auch ein Konzert von Robbie Williams oder U2 live in die Kinos schicken, wo doch die Stadien ohnehin ausverkauft sind.“