Ein Spiegelzelt, ein Sterne-Koch und ein anspruchsvolles Varieté-Programm: diese Mischung hat in München mittlerweile Tradition: Schubeck hat sein teatro, während das Palazzo nun ohne ihn, aber mit gleich vier Köchen ins fünfte Jahr geht. Und nun also auch noch DO BRAZIL, eine Mischung aus brasilianischen Schönheiten, kabarettistischen und akrobatischen Einlagen, der verblüffenden Gesangskunst von Edson Cordeiro – in Form gebracht von Regisseur Joachim Lang und begleitet von der Kochkunst Dieter Müllers, dessen viergängige Komposition über den Abend gereicht wird.
Am 9. Oktober war die Premiere an der Friedenheimer Brücke in München, geplant sind wöchentlich sechs Shows bis zum 22. Februar 2009, und dabei ist auch die Technik auf dem selben hohen Niveau wie das künstlerische Programm: Alle Beteiligten waren vorab in Brasilien gecastet worden, haben schon dort geprobt und gearbeitet und sind als Team nach München gekommen, um so eine neue Dimension des Entertainments zu zeigen.
Für das Sound-Design verantwortlich ist der österreichische Spezialist Martin Mayer von MisterMaster, Opus-Preisträger und spezialisiert unter anderem auf anspruchsvolle Mikrofonierungen kostbarer Instrumente. Dafür hat der Mann beispielsweise mehr Schoeps-Mikrofone als jeder andere Österreicher zu Hause.
Während einer der ersten Shows noch vor der Premiere hatten wir die Gelegenheit für ein ausführliches Gespräch am Rande des Spiegelzeltes von DO BRAZIL.
DieReferenz: Herr Mayer, Sie sind als österreichischer Sound-Designer für DO BRAZIL in München verantwortlich. Wie sind Sie denn überhaupt zu diesem Job gekommen?
Martin Mayer: Zu diesem Auftrag bin ich durch meinen Wiener Kollegen Robert Nessler gekommen, der bei „Do Brazil“ für das Licht-Design verantwortlich zeichnet. Er hat bereits zuvor mit den Produzenten und dem Regisseur bei ähnlichen Produktionen zusammengearbeitet und mich diesen empfohlen. Folglich sind die technischen Gewerke Ton und Licht in kreativen österreichischen Händen.
DieReferenz: Welches Material setzen Sie ein und wo und wie?
Als Hauptsysteme kommen links und rechts je neun Meyer Sound M1D - die so genannten Ultra Compact Curvilinear Array Loudspeaker - ergänzt durch je zwei Meyer Sound M1D-Sub zum Einsatz. Damit sind bereits weite Teile des Spiegelzeltes, das mit 26 Metern Durchmesser eines der größten seiner Art ist, gut abgedeckt.
Als echte Sub-Bässe arbeiten zwei d&b B2-Subwoofer im Infra-Mode. Die Logen, die der Bühne am nächsten sind und trotz des großen horizontalen Abstrahlwinkels der M1D-Arrays nicht ausreichend versorgt werden können, sind pro Seite mit je einer Meyer Sound UPJ-1P als Outfill bestückt. Als Nearfills neben und unmittelbar vor der Bühne verwenden wir Meyer Sound MM-4XP – also die kleinen ‚Self-Powered Miniature Loudspeaker’.
Da zusätzlich zur Hauptbühne mittig im Zelt auch eine hydraulisch versenkbare Rundbühne zum Einsatz kommt, auf der wesentliche Teile der Show wie Moderationen, Artistik und auch der Gesangsstar Edson Cordeiro ihre Auftritte haben, war ich der Meinung, dass diese Regie-Idee auch mit dem Sound-Design unterstützt werden soll. Oberhalb der Zwei-Meter-Rundbühne wird daher in etwa sechs Metern Höhe ein Rohrkranz mit vier Meter Durchmesser geflogen, den Ton und Licht gemeinsam nutzen. Dort hängen weitere fünf Meyer Sound UPJ-1P kreuzweise auf den Publikumsbereich ausgerichtet, um den akustischen Darbietungen aus der Mitte auch ein wenig Richtung und Plastizität zu verleihen.
Da die Logen im äußeren Bereich des Spiegelzeltes nicht nur etwas höher liegen, sondern auch das Zeltdach dort schon wesentlich niedriger ist, haben wir an den elf Stehern des Zeltes, die sich im Publikumsbereich befinden, in rund 3,5 Metern Höhe je eine Tannoy Power V8 montiert. Um die Botschaft von „Do Brazil“, nämlich die Vermittlung Brasilianischer Lebensfreude, verständlich und druckvoll bis in die letzte Ecke des Zeltes zu tragen, stellen diese einen unabdingbaren Bestandteil des Konzeptes dar.
DieReferenz: Viel „Holz“. Und wie kommt da überall das richtig Signal hin?
Zur Verwaltung und Ansteuerung aller Lautsprecher kommen zwei Meyer Sound Galileo Loudspeaker-Management-Systeme zum Einsatz. Die daraus resultierenden Return-Wege werden mittels eines Aviom-Pro16-Systems als Return-Core zur Bühne transportiert.
Über das gleiche CAT-5 Kabel laufen nicht nur die 32 Return-Kanäle, sondern auch das komplette Bühnenmonitoring für die Band, deren sechs Musiker jeweils mit einem Aviom A16II-Personal-Monitor-Mixer ausgestattet sind und sich so ihren individuellen InEar-Mix selbst erstellen können. Die beiden L-Acoustics MTD115, die links und rechts als Sidefills in der Bühne hängen, sorgen für das richtige Feeling bei Tänzern und Artisten.
DieReferenz: Wie schaut es am Mischpultplatz aus, der sich hinter dem Publikumsraum ganz oben im Zelt versteckt?
Als Mischpult kommt ein Yamaha PM5D zum Einsatz. Tatsächlich sind wirklich alle Ein- und Ausgänge belegt: neben der sechsköpfigen Band sind für Moderation, singende Kellner, Background-Vocals, Musiker, Artisten und Sänger insgesamt 14 Kanäle Shure UHF Funk im Einsatz – teilweise mit Handsendern mit der Beta87-Kapsel, teils mit Taschensendern und DPA 4088 Headsets. Für die Chor-Sängerinnen und das brasilianische Stimmwunder Edson Cordeiro stehen weitere vier Kanäle Sennheiser IEM zur Verfügung. Schlagzeug, Percussion, Bass, Gitarre, Posaune und der Flügel werden mit Mikrofonen von AKG, Sennheiser und Shure abgenommen.
DieReferenz: Der Raum ist ja nicht so riesig, braucht man da wirklich ein so aufwendiges Delay?
Die Größe des Raumes stellt natürlich an und für sich kein Problem dar – aber die Geometrie des Rundzeltes sowie die sich nach außen verringernde Höhe sind die eigentliche Herausforderung. Natürlich kann man auch einfach links und rechts neben der Bühne ein paar Lautsprecher aufhängen, wie bei den meisten Dinner-Shows üblich. Im Allgemeinen wird man sich jedoch damit bei seinen Gästen nicht besonders beliebt machen: Den ersten Reihen fällt dann wohl das Steak vom Teller, während in den äußeren und hinteren Bereichen Lippenlesen angesagt ist. Daher ist schon ein gewisses Maß an Aufwand erforderlich um sowohl die druckvoll angelegten Showparts wie auch die Teile des Abends, in denen bei angenehmer Dinner-Music entspanntes Plaudern mit den Tischnachbarn möglich sein sollte, für alle Gäste angenehm zu gestalten. Es ist also die Gleichmäßigkeit der geforderten Beschallung die den Aufwand erfordert. Das Ziel ist es jeden Abend über 400 Gäste zufrieden zu stellen – ohne einer einzigen Beschwerde, dass man irgendetwas nicht gut hören konnte oder gar irgendetwas unangenehm laut war. Es soll aus akustischer Sicht keine guten und schlechten Tische geben. Jeder Gast ist uns gleich wichtig, und ich denke, da lohnt sich auch ein gewisser Aufwand.
DieReferenz: Was war das Besondere an diesem Auftrag für Sie?
Ich denke es war die Kombination all der Ingredienzien, die letztlich diese Show ausmachen: die Künstler, die allesamt direkt aus Brasilien kommen und ihre einzigartige Mentalität, die besonderen Gegebenheiten eines Spiegelzeltes und - last but not least - die Ansprüche meiner Auftraggeber.
DieReferenz: Sie sitzen nicht selbst hinter dem Pult. Haben Sie den Tonmann ausgesucht und eingewiesen?
Besonders bei einer solch langen Produktionsdauer ist es schier undenkbar, dass alle Shows durchgehend von einem Mann betreut werden. Da braucht man schon ein Team, das unabhängig von etwaigen Terminkollisionen, Krankheitsfällen und anderen Unwägbarkeiten eine konstante Qualität der Show gewährleisten kann. Wie auch beim Musiktheater üblich, begleite ich die Produktion in den Phasen der Konzeption, der Proben und der Previews bis einschließlich Premiere und übergebe dann, wie auch der Regisseur und andere Mitglieder des Leading-Teams, die Geschicke der Produktion der Abendspielleitung und dem jeweiligen Operator.
Es zählt daher zu meinen Aufgaben, während der Proben die Kollegen am Mischpult soweit mit meiner Konzeption vertraut zu machen, dass sie nicht nur eigenständig die Show fahren können, sondern auch gewissermaßen „im Sinne des Erfinders“ auf auftauchende Herausforderungen reagieren können. Die Show ist am PM5D nicht szenisch durchprogrammiert, sondern wird „von Hand gefahren“. Es ist daher nicht wie so oft bei den Kollegen beim Licht zu beobachten ein reines Abfahren von vordefinierten Cues – der Operator ist bei jeder Show Teil der Perfomance, der nicht nur auf die Aktionen der Künstler reagiert. Jeder Operator bringt zu einem großen Teil seinen eigenen Stil und Geschmack mit ein, auch wenn er letztlich eigentlich nur die Balancen an den Fadern mischt. Hier stößt man daher auch bald an die Grenzen der Vermittelbarkeit – ästhetische Aspekte von Klang lassen sich eben sehr schwer in Worte kleiden. Daher sollte man neben guter Kommunikationsfähigkeit auch auf das künstlerische Talent eines Ton-Operators Wert legen. Wer kein schönes Bild im Kopf hat, kann auch keines malen … Also versuche ich immer auf die Auswahl der Kollegen Einfluss zu nehmen – damit steht und fällt auch meine Arbeit.
Im Falle von „Do Brazil“ war aber alles sehr kurzfristig und der Faktor Kosten für Reisen und Quartier sind bei fünf Monaten Spielzeit natürlich ein Faktor. So wurden kurzerhand beim Verleiher zwei Kollegen mitgebucht und ein weiterer vor Ort verpflichtet, die allesamt in München wohnen. Doch da habe ich wirklich Glück gehabt: sowohl Björn Seeländer, der insbesondere beim Setup als Meyer-Sound-Experte unschätzbares Fachwissen mitbrachte, als auch der junge hochtalentierte Kollege Christian Pötsch und der Fernseh-Routinier Matthias Roßdeutscher konnten sich rasch mit meiner Konzeption anfreunden und diese auch als Team umsetzen.
DieReferenz: Bald kommt der Winter. Dann wird das Material wohl enorme Temperatur-Unterschiede aushalten müssen. Könnte das ein Problem werden?
Da das Zelt im Winter und zum Teil bereits auch jetzt natürlich beheizt wird, halten sich die Temperaturschwankungen in relativ geringen Grenzen – also keine Temperaturextreme, die professionell konzipierten und gefertigtem Audio-Equipment Probleme bereiten sollte. Allein der Klavierstimmer hat sicher gut zu tun.
Material von Westfalen Sound
DieReferenz: Sie haben mit Westfalen Sound zusammen gearbeitet, nicht gerade der nächste Weg von München aus. Warum das und wie sah die Zusammenarbeit aus?
Ich habe das Konzept erstellt und daraus resultierend dann eine Material-Anforderungsliste zusammengestellt, die dann von meinem Auftraggeber mit der Bitte um ein Angebot an mehrere Verleihfirmen weitergeleitet wurde. Das gleiche hat auch der Light-Designer Robert Nessler getan.
Für „Do Brazil“ war es natürlich anzustreben, alle Leistungen der technischen Gewerke aus einer Hand zu beziehen. Das begünstigt Kommunikation und ergibt idealer Weise ein schönes Paket. Das attraktivste Paket hat dann TLC/ Westfalen Sound geschnürt, sodass sich die Geschäftsführung für diesen Anbieter entschieden hat. Für die Beschallung war das natürlich sehr erfreulich, stehen doch hunderte aktive Lautsprecher von Meyer Sound zur Verfügung – ein großer Vorteil bei beengten Platzverhältnissen ohne Platz für Amp-Racks.
Ich habe dann gemeinsam mit Stefan Büngeler von Westfalen Sound via e-Mail die Auswahl der Komponenten festgelegt, Montage- und Belegungspläne geschickt und alle Details besprochen. Beim Aufbau habe ich dann gemeinsam mit Björn Seeländer das Grundsetup erstellt. Während der Sound-Checks habe ich mich dann doch kurz selbst hinters Pult gestellt, weil vieles einfach schneller gemacht als erklärt wird. Außerdem konnte ich so den Kollegen mein Klangbild gewissermaßen „vorzeichnen“, was allemal besser ist, als es verbal zu beschreiben. Während der Proben hatten alle Gelegenheit, sich in die Show einzufühlen und selbst die Regler in die Hand zu nehmen.
„Geht nicht“ gibt´s nicht!
Bei einer solchen Produktion ergeben sich in der Umsetzung natürlich immer zusätzliche Equipment-Wünsche, meist weil der Bedarf im Vorfeld nicht hundertprozentig abgeklärt werden kann. Wie sieht die Backline aus Brasilien genau aus? Wie groß ist das Percussion-Setup? Der angekündigte Posaunist kommt dann mit zwei Posaunen, Flügelhorn und Tuba!
Solche „Überraschungen“ machen dann umgehendes Handeln erforderlich – „geht nicht“ gibt´s nicht. Daraus resultieren dann entsprechende Nachbestellungen, die von Westfalen Sound, trotzdem Emsdetten mit einer Entfernung von rund 700 Kilometern nicht gerade um die Ecke liegt, bravourös gemeistert wurden. Alles, was wir gebraucht haben, war am nächsten Tag da. Teile hat Stefan Büngeler dann selbst vorbeigebracht, „weil er eh in der Nähe zu tun hat und schauen will wie´s uns geht“. Zusammenfassend muss ich sagen, dass die Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung und Regie von „Do Brazil“, sowie mit Westfalen Sound und den Kollegen eine äußerst Angenehme und wie es scheint Erfolgreiche ist.