In Berlin ist die Showtech zu Ende gegangen: Aber wie geht es weiter mit den Fachmessen? Wohin geht die Reise? Wohin soll sie gehen?
Damals …
Vor langer, langer Zeit waren Messen automatisch „Order-Messen“. Da gab es findige Menschen, die fuhren da hin mit einem großen Koffer volllerl Geld, und im Gespräch mit dem Hersteller oder Großhändler machten sie ein eigentlich unanständiges Einkaufsangebot. Dann wurde der Koffer aufgeklappt, und wenn der Lieferant sich darauf einließ, konnte er das Geld mit nach Hause nehmen.
Damals wusste bis zum Messebeginn keiner irgendwas von den Neuheiten, die gezeigt wurden, es sei denn, der zuständige Außendienstler hatte etwas angedeutet, um seinen Kunden an den Stand zu locken. Die Pressetexte hatten einen Sperrvermerk, und alle hielten sich daran.
Es gab große Messen wie die Musikmesse einschließlich Prolight + Sound, die PLASA in London und die LDI in Las Vegas. Und es gab auch da schon sozusagen „Special-Interest-Messen“ wie die IBC in Amsterdam, die Tonmeistertagung und eben die Showtech als die große Theater-Technik-Messe.
Und dann gab es auch noch die SIB in Rimini, wo man einfach hinfahren musste, weil unser Winter viel zu lange dauert, und weil man sich in Rimini abends im Pub mit Kunden, Lieferanten, Mitbewerbern und der Presse besser austauschen konnte als bei jeder anderen Gelegenheit.
… und heute
2023 haben wir uns längst an das Internet gewöhnt, haben Corona hinter uns und damit auch gelernt, wie wir uns virtuell zusammen setzen können und nicht für jedes Gespräch eine Reise antreten müssen.
Auf Messen werden längst keine Aufträge mehr geschrieben und alle wissen längst, welche Neuheiten sie sich an welchem Stand anschauen wollen.
2023 haben wir mit der ISE eine internationale Messe, die von Jahr zu Jahr wächst, auch wenn wir Deutschen mit den Zähnen knirschen, weil es so gemütlich und einfach war, nach Amsterdam zu fahren.
Diese ISE braucht ein riesiges Messegelände wie in Barcelona, damit sie noch eine Zeit lang weiter wachsen kann, auch mit den deutschen, österreichischen und Schweizer Firmen, die bislang noch pausiert haben.
2023: Die erste "neue" Showtech
Wie war sie denn nun, die erste neue Showtech, die nun wieder so heißen darf, weil sich die DTHG die Namensrechte wieder gesichert hat?
Legendär war diese Messe ja gerade, weil eben die DTHG dahinter steckt und damit die Welt des Theaters und der Magie. Da hat man sich also nicht nur einen großen Namen zurück geholt sondern auch große Fußstapfen, die man nun ausfüllen muss in diesen "stürmischen Zeiten".
In den Jahren nach der Wende wurde Berlin zum spannenden Mittelpunkt des kulturellen Lebens in Deutschland. Und das konnte die Showtech damals widerspiegeln, auch durch die Messebesucher aus den östlichen Staaten. Dazu kamen die vielen quirligen Studentinnen und Studenten der Hochschulen, die auf der Showtech zeigen konnten, was sie drauf haben. Stichwort: Weltenbauer!
Schöne Messe in schönem Ambiente: die Showtech 2023 (Fotos: Tom Becker).
Der Standort STATION Berlin hat als ehemaliger Postbahnhof Luckenwalder Straße selbst eine wechselhafte und große Geschichte und passt mit seiner Stahlbau-Architektur gut zu den "Brettern, die die Welt bedeuten".
Charmant! Das war sicher der erste Eindruck bei vielen Besucherinnen und Besuchern, die ihren Weg gefunden hatten über den weiten Innenhof zum improvisierten Eingang mit seinen Klapptischen als Einlass.
In der STATION Berlin fiel oft der Begriff vom Klassentreffen, und wirklich gab es genug Zeit für viele, gute, lange Gespräche. Auch wenn viele sich eben erst in Frankfurt getroffen hatten, in Hamburg und in Köln und Dortmund und natürlich in Barcelona.
Auf der Showtech war der Zauber des Theaters schon zu spüren, aber nur sehr verhalten. Da steckt noch viel Potential drin!
Eine Gruppe aus der Ukraine trat auf mit einer Dampflokomotive, die dann auch noch wirklich rauchte, weil Look Solutions mit einer Mini-Nebelmaschine aushalf. Großer Effekt!
Status quo
2023 hatten und haben wir in unserer Branche allein in Deutschland folgende Messen:
• Dortmund im Januar: BOE Best of Events
• Hamburg im Januar: Hamburg Open
• Köln im März: LEaT X
• Frankfurt im April: Prolight + Sound
• Berlin im Juni: Showtech,
• Hamburg im Oktober: LEaT con
• Düsseldorf im November: Tonmeistertagung
Wer dann noch zur ISE, IBC, PLASA und LDI geht, braucht ein gutes Reise-Management, ein dickes Spesen-Konto, viel Zeit und viel Personal.
Zurück zur Showtech 2023: Lange Schlangen sah man nicht, als zur Eröffnung feierlich das Band durchschnitten wurde. Und eigentlich muss man das auch nicht haben: Sich erst mal eine Stunde anstellen, um in die Hallen zu kommen wie bei der letzten ISE in Barcelona.
Aber natürlich müssen schon genügend Leute auf eine Messe kommen, damit sich der Aufwand für die Aussteller lohnt. Und hat es sich gelohnt? Fragt man zehn Aussteller nach ihrer Bilanz, erhält man zehn verschiedene Antworten.
Einig waren sich alle, dass mehr Besucherinnen und Besucher nicht geschadet hätten, da ist das (östliche) Hinterland weggebrochen, da haben sich manche in der Corona-Zeit beruflich neu orientiert, wieder andere haben sich früher im Jahr auf anderen Messen umgesehen.
Und nun?
Auf der Showtech kursierte eine Idee, die immer wieder zu hören war: Könnten sich nicht die Verbände VPLT und DTHG mit der Messe Frankfurt zusammen tun und die Showtech und die Prolight + Sound zu einem großen Branchentreff verbinden?
Ein oder zwei Hallen mehr wären in Frankfurt leicht zu haben. In diesem Rahmen wäre auch genug Platz für alle Kongresse, Vorträge und Sonderveranstaltungen, auch für eine bühnentechnische Tagung ...
Eine solche „große“ gemeinsame Messe in Deutschland wäre dann auch attraktiv genug, um die Hersteller und Vertriebe der Sound-Branche wieder mit ins Boot zu holen und dazu zu bringen, nicht mehr nur auf die ISE zu setzen.
Und wenn ein solcher Zusammenschluss nicht passiert? Das Format der LEaT-Messen kommt ganz offensichtlich gut an. Vielleicht werden die deutschen Fachmessen unserer Branche nach und nach alle zu Regionalmessen.
Wollen wir das? Kann die Branche das wollen?
Unsere Branche realisiert und erschafft Großes. Können Regionalmessen das abbilden? Reicht ein Tisch als Messestand dazu aus?
Wenn nicht allein der Markt über die Zukunft unserer deutschen Fachmessen entscheiden soll, müssen sich alle zusammentun: Die Messeveranstalter, die Verbände und die Aussteller. Sie müssen dabei ihre Kunden im Blick behalten, Entscheidungen treffen und Kompromisse eingehen.
Dann kann aus dem Umbruch ein echter, ein gelungener Umbau werden.
Gute Laune bei Franck Tiesing und Christian Pieß am Stand von cast.
Groß und auffällig wie immer: der Stand von Robe ...
... an dem viel gezeigt wurde
Die Neue bei Look Solutions ...
... nebelt auf Knopfdruck
Nicht wirklich leer: der Stand von ETC
Keine Messe ohne Awards: Auch auf der Showtech gab es Preise ...
Gleich zwei Preise gingen an Gerriets ...