Mit hoher Präzision schneidet die messerscharfe Klinge einen dünnen Span aus dem filigran gearbeiteten Steg. Den Seminarteilnehmern stockt der Atem, denn das bearbeitete Objekt ist keineswegs ein grober Holzklotz, sondern ein Instrument von hoher Güte, dessen Preis im gehobenen fünfstelligen Bereich angesiedelt ist.
Am 25. September 2012 machte die von Sennheiser, Neumann und Lawo/Innovason initiierte Seminar-Roadshow „Ursprung des Klangs“ in Hamburg Station. In einem exklusiven Rahmen konnten Teilnehmer in den Räumlichkeiten des Geigenbauers Schellong Osann die meisterliche Fertigung hochwertiger Instrumente aus nächster Nähe erleben.
Inspiration
Die eindrucksvolle Demonstration findet im akustisch ansprechenden Wohnzimmer einer alten Hamburger Villa statt, welche für Nikolaus Osann und seine Frau Ulrike Schellong Heim wie Arbeitsstätte zugleich ist. Über eine gewundene Treppe führt der Weg vom mit Parkett getäfelten Stuckdeckenzimmer hinab ins Souterrain: Hier enstehen in aufwändiger Handarbeit Instrumente für höchste Ansprüche, welche bei hochkarätigen Musikern heiß begehrt sind.
Das für den Klang so wichtige Deckenholz wird in Italien vom Meister persönlich geschlagen und für einen definierten Zeitraum unter wechselnden klimatischen Bedingungen auf dem Dachboden gelagert, bevor es die erwünschte Reife erlangt – die Sichtkontrolle sowie ein kontrolliertes Klopfen gewähren Aufschluss. Expertise und über Jahrhunderte gepflegte Handwerkstradition haben in der Hamburger Parkallee fraglos ihren festen Platz - erst Intuition und Inspiration lassen jedoch wahrhaft perfekte Instrumente mit eigenständigen Charakteren entstehen.
Ordnung im Chaos
Jedes bei Schellong Osann gefertigte Instrument ist ein Unikat – ein komplexes Stück Handwerkskunst, bei dem die Veränderung jedes noch so winzigen Details immense Auswirkungen auf den Klang zeitigt. „Besonders wichtig ist der Obertonaufbau!“, verrät Nikolaus Osann. „Die Struktur der Obertöne hat eine direkte Auswirkung auf die mögliche Ausdrucksstärke.“
Mindestens 20 Jahre Berufserfahrung benötigt es nach Aussage des Meisters, um aus „chaotischen Elementen“ zielsicher ein Instrument für professionelle Ansprüche kreieren zu können. Dem Laien immens hoch erscheinende Preise erklären sich fraglos auch aus diesem Umstand - für Weltklassemusiker ist es üblich, eine Violine im Gegenwert einer Villa zu spielen. „Jeder Hörer nimmt den Klangunterschied zu einem preisgünstigen Instrument zumindest unbewusst wahr“, lautet Osanns feste Überzeugung.
Distanz vs. Close-up
Unter dem Titel „Vom Klang zum Sound“ referierte Diplom-Tonmeister Marcel Babazadeh in Hamburg über die musikalische Akustik der Streichinstrumente und ließ es sich nicht nehmen, selber zur Geige zu greifen und gemeinsam mit Maja Hunziker zu musizieren. Der Geigenbogen ist laut Babazadeh „wie der Stift eines Zeichners“ und übt durch Druck, Streichgeschwindigkeit und Kontaktstelle starken Einfluss auf den Klang aus..
Entscheidenden Anteil haben auch die Saiten – Besaitungen aus Stahl rufen gänzlich andere Klangergebnisse hervor als ihre weniger stimmstabilen Konterparts aus Schafsdarm.
Am Instrument selber ist der Steg von hoher Bedeutung, da er die Schwingung auf den Resonanzkörper überträgt – Vorsicht ist hier insofern bei der Befestigung von Clip-Mics geboten.
Bewährte Mikrofonierungstechniken für Streichinstrumente stellte im Anschluss Martin Liermann, Productmanager bei Sennheiser Vertrieb und Service, vor. Mittel der Wahl für die Abnahme von Streichern sind in der Regel Kleinmembranmikrofone, unter denen sich breite Nieren wie etwa das Sennheiser Modell MKH 8090 oft als besonders vorteilhaft erweisen.
Steht zusätzlich zum Orchester eine Rock/Pop-Formation auf der Bühne, scheidet die klanglich überzeugende Distanzmikrofonierung aus rein praktischen Erwägungen aus: Aufgrund der hohen vorherrschenden Pegel greifen erfahrene Tonmeister in diesem Fall oft zu einem Close-Miking per Ansteckmikrofon (z. B. Sennheiser MKE 1). Eine Alternative kann eine Nackenbügellösung wie das Modell HSP 2 des Audiospezialisten Sennheiser darstellen. - Ein wahrer Geheimtipp ist das e 908 moniert an der Schulterstütze.
„Wir brauchen Pegel!“
Interessante Perspektiven eröffnete am Nachmittag ein Vortrag von Thomas Kellner: Der junge Tonprofi mit Musiker-Background ist nicht zuletzt durch seine Monitorarbeit für einen im Rock/Pop-Segment höchst erfolgreichen Stargeiger bekannt, kann aber auch auf Tätigkeiten für etablierte Klassikkoryphäen verweisen. Im Rock/Pop-Kontext ist laut Kellner bezüglich der Mikrofonierung „erlaubt, was gefällt“, und eine Mikrofonaufstellung gemäß Lehrbuch führt nach seiner Erfahrung nicht zwangsläufig zum Ziel.
Nicht schlecht staunten die Seminarteilnehmer, als Kellner über die bei Shows seines Hauptarbeitgebers üblichen Bühnenpegel berichtete - meterhoch züngelnde Flamejets sowie aus der Geige abgefeuerte Pyroeffekte sind in typischen Orchesteraufführungen sonst eher selten anzutreffen. „Wir brauchen Pegel!“, brachte Thomas Kellner sein zentrales (Bühnen-)Anliegen auf den Punk.
Video vom Seminar bei Schellong Osann
Mit Ulrike Schellong, Nikolaus Osann, Marcel Babazadeh von LAWO, Thomas "Kelly" Kellner und Martin Liermann von Sennheiser.
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Leidenschaft für exzellenten Sound
So nah wie nie zuvor kamen die Teilnehmer dem „Ursprung des Klangs“ auf der fünften Etappe der gleichnamigen Seminar-Roadshow – die familiär-freundliche Atmosphäre im Hause Schellong Osann trug ihren Teil zu lebhaften Fachgesprächen bei, welche sogar direkt in der Werkstatt parallel zur Entstehung neuer Instrumente geführt wurden.
„Wie bei Sennheiser steht auch bei Schellong Osann die Passion für guten Klang im Mittelpunkt und ist zentraler Antrieb für alle Aktivitäten“, kommentierte Ties-Christian Gerdes, Geschäftsführer der Sennheiser Vertrieb und Service GmbH & Co. KG. „Nur mit Leidenschaft kann exzellenter Sound entstehen!“