Kammerspiele der Josefstadt

30.12.2013

Der Umbau des Theaters in fünf Monaten inklusive innovativer Lichttechnik.


 

Die Kammerspiele in der Wiener Josefstadt wurden generalsaniert. Dabei wurde das Gebäude total entkernt, die gesamte Verkabelung erneuert, ebenso Klimaanlage, Bühnenmaschinerie, Licht-, Ton- und Videotechnik. Und all das ohne Lastenaufzug, ohne Parkflächen, dafür aber mit dem größten Einsatz aller Beteiligten.

Der knappe Zeitplan von gerade mal fünf Monaten wäre ohne die intensive Vorarbeit des technischen Direktors Ing. Emmerich Steigberger und seines Teams, unterstützt durch den Fachplaner Tonplan und das Engagement der renommiertesten Firmen, nicht umsetzbar gewesen.

 

ETC Lichtkonsole in den Kammerspielen Wien

 

Mit RDM in Sachen Lichttechnik ganz vorn dabei

Das Herausragendste ist wohl die erstmalige vollständige Ausstattung eines österreichischen Theaterhauses mit der RDM-Technologie. RDM erweitert dabei die Möglichkeiten von DMX durch bidirektionale Datenübermittlung um Konfiguration, Rückmeldung und Diagnose.

Für die tägliche Arbeit bedeutet das zum Beispiel: Andern der DMX-Adressen oder Betriebsmodi, ohne eine Leiter aufstellen zu müssen, Rückmeldung über die Funktionsbereitschaft zentral vom Lichtsteuerpult aus, das Auslesen der Betriebstemperatur und anderer Betriebsparameter.

Beim Lichtsteuerpult wurde auf die in den wichtigsten Wiener Häusern bewährte GIO-Konsole von ETC gesetzt. Neben Staatsoper und Burgtheater wird die Anlage auch im Theater in der Josefstadt eingesetzt. Die kleinere Ausführung ION war bereits vor dem Umbau in Verwendung. Nun wird sie als Backup weiterverwendet.

So können auch alle bestehenden Vorstellungsdateien für Wiederaufnahmen übernommen werden. Sie sind nur mehr an die neuen Gerätetypen und die vergrößerte Bühnenfläche anzupassen.

Zur Zeit werden sieben DMX-Linien verwendet: Linie 1 für Dimmeranlage, Saal- und Arbeitslicht, Line 2 und 3 für das Effektlicht im Zuschauerraum, 4 und 5 für die Bühne, Line 6 für den Medienserver und Linie 7 für mobile beziehungsweise stückbezogen eingesetzte Geräte.

Fernsteuerbar ist die Lichtanlage über die robuste ETC RFR-Fernbedienung im Metallgehäuse und über eine iPhone App namens iRFR.

 

Kontrollschränke
Im Dimmerraum: 19-Zoll-Schrank und ETC Sensor Dimmer.

 

Die Datenverteilung erfolgt über zwei 19“-Schränke in Lichtregie und Dimmeraum. Hier wird Ethernet (verwendetes Protokoll sACN/ACN) in DMX/RDM umgesetzt und verteilt. In den Versatzkästen an den jeweiligen Beleuchtungspositionen gibt es aber nicht nur DMX-Dosen sondern auch Netzwerkanschlüsse. Damit können zusätzlich Linien den Adressbedarf an einer beliebigen Stelle im Haus decken.

Für das Ethernet-Netzwerk wird auch der PoE-Standard (Power over Ethernet) eingesetzt. Damit ist für die Netzwerkknoten (ETC 2-port Gateways) keine lokale Spannungsversorgung mehr erforderlich, sondern diese erfolgt gemeinsam mit den Daten über die Netzwerkleitung und erleichtert somit die Verkabelung.

Die Saalichtsteuerung erfolgt über den ETC Paradigm Prozessor. Dieser läuft rund um die Uhr und ermöglicht somit Arbeits-, Proben- und Reinigungslicht, auch bei ausgeschaltener Dimmeranlage beziehungsweise ohne die Anwesenheit eines qualifizierten Lichttechnikers über einfache Tasten, Schieberegler oder einen Touchscreen. Diese steuert auch das das aufwendig gestaltete Saallicht, das fast ausschließlich aus DMX-steuerbaren LEDs besteht und über 16-bit Auflösung verfügt.

Die Hauslicht- und Gebäudesteuerung erfolgt über das KNX/EIB-Protokoll und ist an die Saallichtsteuerung gekoppelt. Somit sind wechselseitige Eingriffe möglich. Natürlich wird diese Möglichkeit während der Aufführungen gesperrt, sodass nur ein Zugriff von der Lichtregie aus möglich ist. Beispiele aus der Praxis: Abends schaltet der Portier das Saallicht zentral aus, oder der Lichtoperator verriegelt die Tastenstationen im öffentlichen Bereich während der Vorstellung.

Beim Medienserver fiel die Entscheidung auf den MediaMaster Pro von Arkaos. Auch diese Software wird bereits im großen Haus eingesetzt und hat sich für die perfekte Synchronisation von Licht und Videoeinspielungen bewährt. Die Video-Inhalte werden dabei im Lichtpult - ähnlich einem Moving Light - programmiert.

Die Lichtabteilung bindet die fertigen Videos in den Vorstellungsablauf ein. Die aktuelle Version 3.1. ermöglicht durch den sogenannten Videomapper das verzerrungsfreie Bespielen beliebig gewölbter Oberflächen. Live-Videos in HD-SDI-Qualität können in die Projektion eingebunden werden.

Auch bei den Dimmern setzt man auf den neusten Stand der Technik. Die ETC Sensor 3 Dimmer ermöglichen die individuelle Umschaltung jedes einzelnen Kreises zwischen Dimmer und Schaltkontakt. Dank den Einzel-FI/Leitungsschutzschaltern für jeden Kreis ist es möglich, alle Lasttypen - egal ob Glühlampe, Moving Light oder Elektronisches Schaltnetzteil - zu betreiben.

Durch die Fernkonfiguration vom Lichtpult aus kann das Lastprofil somit laufend dem Repertoire angepasst werden, ohne im Dimmerraum Module tauschen zu müssen. Zusätzlich bietet die Software eine Verriegelung, die unbeabsichtigtes Ausschalten von Entladungslampe verhindert. Vollständige Rückmeldung und Echtzeitdiagnose direkt auf das Lichtpult versteht sich bei diesem technischen Standard von selbst.

 

 

Die neuen Scheinwerfer verfügen über RDM und können somit vom Pult abgefragt und umkonfiguriert werden. Dies erweist sich nicht nur bei der Installation, sondern auch im täglichen Spielbetrieb mit wechselnden Stücken als große Erleichterung.

Für Wiederaufnahmen werden Bühnenbilder, in denen ältere Leuchten verbaut sind, eingesetzt. Diese unterstützen zum Teil den RDM-Standard nicht, doch diie Ansteuerung mit mobilen Gateways von ETC ermöglicht es, pro Ausgang RDM zu- und wegzuschalten. Auch kann die DMX-Ausgabegeschwindigkeit (Frame-Rate) reduziert werden, um ältere Geräte, die nicht die gesamte Bandbreite der DMX-Norm abdecken, mit dem Neubestand verwenden zu können.

Die Versatzkästen sind aus schwarz beschichtetem Stahlblech gefertigt. Bei engen Platzverhältnissen werden auch Alukanäle verwendet. Eine besondere Herausforderung dabei war der Brüstungskanal mit nur 85 mm Nutztiefe bei 45 mm Höhe. Mit einem speziellen Aluprofil konnte auch hier die Aufgabenstellung erfüllt werden.

Ewige und gedimmte Leitungen wurden als Schukodosen ausgeführt und in blau beziehungsweise schwarz ausgeführt. Für die 5kW werden CEE32A-Dosen eingesetzt, DMX ist mit orignalNeutrik XLR5-Steckern und alle Ethernet-Anschlüsse sind mit Neutik-Ethercon ausgeführt. Eine Besonderheit ist das DMX-gesteuerte LED-Blaulicht und die Anschlüsse für mobiles Blaulicht. Die motorisierte Portalbrücke wird über ein Faltbandkabel mit 24 3kW-Kreisen, Ethernet und DMX versorgt.

Dem Theater steht nunmehr auch eine Probebühne direkt im Haus zur Verfügung. Hier ist ein 24-kanaliger ETC Paradigm Dimmer verbaut, der über ein einfaches Lichtpult oder die Saallicht-Steuerung bedient werden kann. Eine Sperre der Allgemeinbeleuchtung bei Veranstaltungen ist möglich. Zwölf Versatzkästen mit DMX in den Decken ermöglichen das Anschließen zusätzlicher Scheinwerfer, Moving Lights und Effektgeräte.

 

Lichtteam der Kammerspiele der Josefstadt
Das Licht-Team im Theater (von links): Mario Buchwitz, Aleksander Ecker, Johannes Graf, Franz Hennmüller und Manfred Grohs.

 

Der Beleuchtungschef Manfred Grohs sagt: "Durch den Umbau ist es der gesamten Direktion gelungen die Kammerspiele auf einen technischen Standard zu bringen, der seinesgleichen im deutschsprachigen Raum sucht. Von der Planung bis zur Inbetriebnahme wurde das Projekt seitens Lighting Innovation sehr gut und problemlos umgesetzt. Auch schätzen wir die gute Beratung, zum Beispiel bei der Programmierung der Paradigm-Steuerung."

Der Chefoperator Franz Henmüller fügt hinzu: "Da wir bereits mit der ION seit drei Jahren arbeiten, ist uns der Umstieg auf die größere GIO leicht gefallen. Eine Bereicherung ist die direktere Bedienung und die integrierten Touchscreens mit Magic Sheets. Ich bin begeistert vom Zusammenspiel von Dimmern und RDM mit dem Lichtpult, weil ich damit stückbezogen Dimmer patchen beziehungsweise auf Non-Dim umstellen kann. RDM gibt mir die Kontrolle über die Geräte von der Lichtregie aus. Wichtig ist auch, dass RDM für ältere Geräte abgeschaltet werden kann. Der Medienserver schnurrt wie ein Kätzchen."

 

Die Technik

Hauptpult:  ETC GIO, 4000 Parameter
Backup: ETC ION
Fernbedienung: ETC net3RFR, iPhone und iPad mit iRFR Software
Saallichtsteuerung: ETC Paradigm mit 2x mobilen Touchscreens, 4x mobilen 7-Fader Station, 4x Tastenstation
Dimmerschränke: ETC Sensor 242 Kreise , ETC Paradigm 48 Kreise
Saallichtsteuerung: ETC Paradigm
RDM Netzwerk: ETC Gateways, Swisson Splitter, Artistic Licence Splitter
Scheinwerfer: ETC Source Four LEDLustr+/Daylight, Selador Desire, ETC Source Four 115V Fixbrennweite + Zoom, Source Four Revolution, Vari-Lite VL1100, JB-Lighting A8 RGBW/Tuneable White, A7 RGBW, Robe MMX WashBeam, DLS Profile, LDDE Spectra WOW, Rainbow Farbwechsler, ETC Source Four, Selecon Rama, PAR64, LED-Foss
Medienserver: Arkaos Media Master Pro
Projektoren: 1 x Christie DHD800 (DLP Einzel-Chip 8.000 ANSI lumen, nur 38dB im Normalbetrieb),
2 x Panasonic PTDW640k

 

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