Der Vielflieger im Homeoffice

17.04.2020

Interview mit Harry von den Stemmen von Robe zu seinem völlig neuen Leben und zur Branche mit und nach Covid 19.

 

Harry von den Stemmen ist seit 2003 bei Robe und als "International Sales Director" für die Geschäftsentwicklung von Robe auf der ganzen Welt zuständig. Davor war er bereits rund 20 Jahre bei Lichtfirmen wie Martin Professional, High End Systems und Strand Lighting.

Jetzt sitzt er in seinem Homeoffice in der Nähe von München und ist mit der halben Welt in virtuellem Kontakt. Tom Becker von DieReferenz hat mit ihm telefoniert.

 

Harry von den Stemmen

International Sales Director bei Robe: Harry von den Stemmen (Fotos: Tom Becker).

 

Tom Becker: Es sieht so aus, als hättest Du Dich Zeit Deines Lebens mit dem Verkauf von Moving Lights beschäftigt.

Harry von den Stemmen: Das kann man so sagen.

 

Becker: Hat man denn als Vertriebs-Mann auch Einfluss auf die Produktentwicklung?

Von den Stemmen: Der Vertrieb spezifiziert sehr oft die Produkte, die er verkaufen kann, und der Hersteller macht sie dann. So war das damals auch schon bei Martin.

 

Becker: Du kennst Moving Lights so ziemlich von Anfang an. Wie haben sie sich entwickelt?

Von den Stemmen: Die Geräte haben sich sehr verändert. Am Anfang hatten wir ja noch Geräte mit Servomotoren, doch das hat sich relativ schnell gewandelt in Modelle mit Schrittmotoren. Die waren nicht nur moderner, auch das Wiederansteuern einer Position funktioniert eigentlich nur mit einem Schrittmotor.

Als nächstes kam der Übergang von der Halogenlampe zur Entladungslampe und von da weiter zur LED. Dazwischen gab es durchaus auch noch andere Entwicklungen wie die Plasmalampe, aber inzwischen sind wir wohl alle hauptsächlich bei der LED angekommen.

 

Becker: Und die Firmen?

Von den Stemmen: Die Hersteller waren anfangs sehr innovative kleine Firmen, die dann immer mehr gewachsen sind. Es gab immer größere Projekte, immer größere Shows, es ging um immer mehr Garantien, die man einhalten musste, und auf diesem Weg wurde die gesamte Branche immer professioneller. Dazu kamen immer neue Firmen aus aller Welt, bald auch aus China.

Aber auch auf Kundenseite wurde die Branche immer professioneller, so sind zum Beispiel die Verleihfirmen enorm gewachsen. Immer bekanntere Künstler gaben immer größere Konzerte. Dabei spielten Faktoren wie Funktionalität und Sicherheit eine immer größere Rolle. Man musste also Material liefern, das vor Ort auch wirklich immer funktioniert.

 

Das "normale" Leben des Harry von den Stemmen

 

Harry von den Stemmen

 

Becker: Wie sieht ein normaler Monat bei Dir aus?

Von den Stemmen: Ich war eigentlich in der Regel drei Wochen im Monat unterwegs, und dann war ich die restliche Woche entweder im Werk oder daheim im Büro.

 

Becker: Was war deine letzte Reise und was kam dann?

Von den Stemmen: In der ersten März-Woche war ich in der nordamerikanischen Niederlassung von Robe in Fort Lauderdale. Dann mussten alle gebuchten Flüge storniert werden. Einmal, weil die Flieger nicht mehr geflogen sind, zum anderen, weil Reisebeschränkungen kamen, zum dritten, weil man natürlich auch die Kosten sparen musste.

Auf dem Plan hatte ich die "Light + Building", die ja auf Herbst verschoben wurde. In derselben Woche hätte ich noch nach Zagreb fliegen sollen, um ein Open House unseres kroatischen Distributors zu begleiten. Das ist auch storniert worden, weil er die Veranstaltung abgesagt hat.

Dann war noch eine Reise nach Kanada zur “Expo Scène” in Montréal geplant, die dann aber auch abgesagt wurde, zeitgleich mit der Prolight + Sound. Als nächstes wäre ich zur Prolight + Sound gereist, von dort aus direkt nach Tschechien zu einer Werksbesichtigung bei Robe und von dort aus nach Wien, um von dort dann wieder heim zu fliegen. Das war eine durchgeplante Reise mit einem Ticket, die dann ganz abgesagt wurde.

Weiterhin auf dem Plan stand eine Reise nach Singapur, eine Woche später, dann die Sound:Check-Messe in Mexiko, die natürlich auch flach gefallen ist - und damit alles, was bei mir im Kalender war.

 

Becker: Lassen sich solche Reisen durch Videokonferenzen kompensieren?

Von den Stemmen: Das kommt immer auf den Kunden an. Zum einen geht es bei diesen Reisen ja darum, unsere Niederlassungen zu unterstützen. Normalerweise fuhr man in jedem Quartal einmal da hin, dazwischen hat man die Distributoren besucht. Da ging es entweder um größere Bestellungen oder darum, große Kunden gemeinsam zu besuchen.

Mit Konferenzschaltungen kann ich die Niederlassungen betreuen, kurzfristig funktioniert das. Nur langfristig wird es sicher nicht funktionieren, weil unsere Branche ganz besonders auf persönliche Kontakte angewiesen ist, auf den persönlichen Austausch.

Es ist eher so, dass mich das im Lauf der Jahre immer wieder erstaunt hat, wie viele Reisen immer noch notwendig waren, weil der virtuelle Kontakt eigentlich nie funktioniert hat.

Ich bin über meine ganze Karriere hinweg immer beim Kunden gewesen, und das wird sich auch wiederbeleben auf die eine oder andere Weise. Man muss die Kunden einfach wieder besuchen, so bald es geht.

Sicher wird es erst mal mehr Videokonferenzen geben, weil man da jetzt Erfahrungen gesammelt hat und weiß, was man damit machen kann und was nicht. Aber für eine vertrauensvolle und langfristige Zusammenarbeit muss man sich sicherlich auch weiterhin treffen.

 

Der Blick in die Zukunft

 

Robe Team

Bei Robe im Showroom in Tschechien: Harry von den Stemmen, Firmenchef Josef Valchař, Ingo Dombrowski und Julian von den Stemmen.

 

Becker: Und was glaubst Du, was glaubt Ihr bei Robe, wie es weiter geht?

Von den Stemmen: Wir gehen davon aus, dass wir vielleicht noch im April, aber sicher im Mai im Werk wieder arbeiten können, weil das Werk wieder alle Komponenten bekommt und alle Mitarbeiter wieder ins Haus können, so dass wieder alle Produkte gefertigt werden können.

Das Werk wird sich beleben, aber der Verkauf wird sich wohl nicht so schnell beleben.

Wir gehen davon aus, dass es mit dem Verkauf, auch bei den Messen, ab September ein wenig aufwärts geht. Und die nächste größere Welle, schätzen wir, kommt im Januar oder Februar 2021. Bis dahin muss ein Impfstoff gefunden werden, sonst funktioniert nichts mehr im größeren Stil.

Wir glauben aber nicht, dass das Ganze sich schlagartig wieder beleben wird, man sieht ja jetzt schon, dass jedes Bundesland in Deutschland seine eigene Taktik hat, und es ist ja auch international so, dass die Länder sich erst langsam wieder ins Geschäft begeben werden.

Darum wird das Ganze nur langsam wieder wachsen. Letztlich wird es aber wieder einen Umfang erreichen, der nicht sehr weit weg ist von dem, den wir schon mal hatten, davon sind wir mittlerweile überzeugt.

 

Becker: Nehmen wir noch mal die so genannten Verleiher, also die Produktionsgesellschaften. Die kaufen ja oft neues Material dann, wenn der Vertrag für eine bestimmte Tour oder Veranstaltung unterschrieben ist. Ist es da eigentlich realistisch, an Verkäufe im großen Stil zu denken?

Von den Stemmen: Deswegen sagen wir ja auch, das geht die ganze Wertschöpfungskette durch. Genau so gut, wie eine Spedition beispielsweise momentan keine LKWs kauft, weil sie sagt, wir haben ja keine Transportaufträge, das können wir erst machen, wenn das wieder gewährleistet ist. Genauso wird es natürlich mit den Produktionsfirmen passieren und damit auch mit den Distributoren. Es wird eins nach dem anderen kommen …

 

Das Jahr ohne die Prolight + Sound

 

25 Jahre Robe: Das wurde richtig gefeiert auf der Prolight + Sound 2019 (Fotos: Louise Stickland).

25 Jahre Robe: Das wurde groß gefeiert auf der Prolight + Sound 2019 (Foto: Louise Stickland).

 

Becker: Noch eine Frage in Sachen Messen. Du hast mal gesagt, die Prolight + Sound ist die Messe, auf der man das meiste Business machen kann.

Von den Stemmen: Das ist für Robe immer so gewesen.

 

Becker: Jetzt ist die Prolight + Sound ausgefallen. Kann man das irgendwie kompensieren?

Von den Stemmen: Das kann man nicht so einfach sagen, denn auf der Prolight + Sound sind ja immer zwei Sachen passiert. Zum einen sind neue Leute an die Produkte herangeführt worden, das heißt, man hat Kunden gesucht, man hat Künstler oder Techniker gesucht, die sich unsere neuen Produkte anschauen konnten, um dann anschließend zu der Produktionsfirma zu gehen und zu sagen, das und das wollen wir haben.

Und zum anderen haben wir ja auf solchen Messen unsere Distributoren bevorzugt betreut, weil die natürlich auch wissen müssen, was sich abspielt, um dann reagieren zu können, wenn jemand kommt und sagt, ich möchte das und das.

Man kann jetzt nicht einfach sagen, jetzt ist Frankfurt ausgefallen, jetzt gehen wir woanders hin, machen eine große Veranstaltung und verkaufen was.
Natürlich ist es so, dass wir über unsere Niederlassungen und unsere Distributoren weiterhin weltweit tätig sind und schauen, wo gibt es auch jetzt Projekte, wo kann man auch jetzt etwas verkaufen.

 

Becker: Nun sind in den letzten Jahren ja auch etliche Messen in Schwierigkeiten geraten, weil Messen eben auch sehr teuer sind. Nicht nur die Messe, sondern eben auch der Stand, die Anreisen, Hotels und so weiter …

Von den Stemmen: Eine Gefahr gibt es da schon, weil sich die Messen ja auch untereinander stark Konkurrenz gemacht haben und machen - und wahrscheinlich auch in der Zukunft machen werden.

Man muss sich überlegen, wie viel Geld man da ausgibt, denn es gibt ja auch die Möglichkeit, zum Kunden hin zu fahren, und da haben die Distributoren natürlich eine Schlüsselfunktion.

Die sagen zu uns ja auch, kommt doch mal wieder her auf ein Robe Open House oder so was. Bringt eure Geräte mit, und wir machen drei oder fünf verschiedene Orte und holen da die Kunden alle zusammen. Was anderes machen die Messen ja auch nicht, nur dass die Messen stationär sind, und da müssen die Kunden hinkommen.

 

Becker: Jetzt passiert es auf der Messe aber auch, dass jemand an den Robe-Stand kommt und eine Lampe sieht und sagt, genau die will ich bei der nächsten Tour einsetzen …

Von den Stemmen: Das ist natürlich richtig. Messen haben immer auch diese Kommunkationsfunktion, das kann man nicht wirklich ersetzen.

 

Becker: Du kennst durch Deine Tätigkeit viele Hersteller und viele Vertriebe auf der ganzen Welt. Hat jeder einen so langen Atem, dass er durch diese Durststrecke durchkommt?

Von den Stemmen: Bestimmt nicht jeder, und es ist auch so, dass auch wir uns sortieren müssen und uns fragen, wo werden wir als erstes wieder investieren? Packen wir die nächste Investition in die Fertigung? Kaufen wir mehr Komponenten? Stecken wir es in den Vertrieb? Gehen wir auf die nächste Messe? Wir müssen auch in der Situation entscheiden und das Ganze neu aufbauen.

 

Harry von den Stemmen

 

Becker: Wie geht es für Dich konkret weiter?

Von den Stemmen: Ich gehe davon aus, dass ich erst mal bis August von meinem Schreibtisch aus arbeite. Ich kenne ja die Kunden und weiß, mit wem ich es zu tun habe. Nur neue Kunden lassen sich da nicht so gut einschätzen.

Ein Großteil meiner Tätigkeit war ja der, immer rauszufahren, mir die Leute anzuschauen, was für ein Kunde ist das, können wir mit dem arbeiten oder nicht. Diese Möglichkeit habe ich über das Internet nicht. Da muss ich einfach glauben, was mir dargestellt wird.

 

Becker: Zum Schluss: Was ist das Wichtigste im Moment?

Von den Stemmen: Dass man mit einem positiven Blick in die Zukunft schaut!

 

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